Am 8. Mai 2021 hat das Kirchenparlament der EKD die 25-jährige Studentin Anna-Nicole Heinrich als Präses der 13. Synode gewählt

Eine weitere Abstimmung bringt es auf den Punkt. Diesmal ist es ihre Twitter-Bubble. „Okay liebe Community, I’m back. Die letzten Tage waren voll. Leute! Sehr voll! Ab morgen dann bestimmt auch hin und wieder mal nen Tweet. Was denkt ihr? Solls Präseslike werden oder einfach wie vorher auch??“ [sic]

Anna-Nicole Heinrich, die Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat eine kurze Twitterpause eingelegt. Aus gutem Grund. Seit Mai 2021 ist Anna-Nicole Heinrich Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), 54 Jahre jünger als ihre Vorgängerin im Amt, mit großer Mehrheit gewählt. Selbstreflektiert, gerade heraus, authentisch, jung. Ein Digital Native als höchste ehrenamtliche Laienvertreterin einer 500 Jahre alten Institution, die sich mit den Herausforderungen einer zunehmend digital geprägten Gesellschaft an vielen Stellen schwertut.

Heinrich ist es wichtig, Menschen über die traditionellen Strukturen hinaus zu erreichen, ohne diese beiseite zu schieben oder sogar abzuwerten. In einem ihrer ersten Videointerviews nach der Wahl mit dem Sonntagsblatt, der Wochenzeitung des evangelisch-bayerischen Landeskirchenrats, formuliert sie die Wechselwirkung zwischen herkömmlicher Medienarbeit der EKD und den Möglichkeiten von Social Media.

„Wir arbeiten einfach sehr, sehr unterschiedlich […] ich komme da einfach von ganz anderen Tools her […] das haben wir aber über die zwei Tage schon richtig gut zusammengebracht“. Heinrich bezieht sich hier auf das Kirchenamt, die Verwaltungsbehörde der EKD.

Auf Twitter hat Heinrich knapp 2.500 Follower. Drei Viertel der 326 Teilnehmer ihrer Twitter-Umfrage, welchen Stil sie zukünftig für ihre persönlichen Tweets wählen soll, wünschen sich eine Weiterführung ihres bisherigen Stils. Interessant sind hier die Kommentare der User zur Umfrage.

„Ich möchte, dass das, was seither war, in Zukunft als präseslike gelten kann“, so @fraufeine. „Wie wäre es mit #newpräseslike“ fragt @ditigalelkwue, das digitale Team der evangelischen Landeskirche Württemberg.

@wandelsinn_blog schreibt: „Alles so wie gewohnt, sehr persönlich menschlich, authentisch wie immer und in Bewegung…“, dazu die Emojis „Daumen hoch“ und ein lächelndes Gesicht mit lächelnden Augen. Eine Reaktion von @ekd, dem offiziellen Account der Stabstelle Kommunikation des Kirchenamtes der EKD, ist nicht darunter.

Wer ist Anna-Nicole Heinrich? In einem kirchenfernen Elternhaus aufgewachsen, wurde sie früh mit der konfessionsbezogenen Realität ihrer Umgebung konfrontiert: Keiner Konfession anzugehören war im katholisch geprägten bayerischen Landkreis Schwandorf keine Option.

Die Jugendarbeit der evangelischen Kirche zog sie an, im jungen Erwachsenenalter ließ sie sich taufen. Nach dem Abitur in Nittenau studierte sie Philosophie in Regensburg; nach dem Bachelor 2019 folgte ein Master in ‚Digital Humanities‘, einem Studiengang, der dem Einsatz von digitalen Methoden in geisteswissenschaftlichen Disziplinen gewidmet ist.

Seit 2020 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am katholischen Lehrstuhl für Pastoraltheologie und Homiletik der Universität Regensburg; im gleichen Jahr wurde sie Mitglied der Landessynode der evangelischen Landeskirche in Bayern.

Als Digital Native ist Anna-Nicole Heinrich mit dieser Art der Interaktion vertraut. In den Sozialen Medien nennt sich dies ‚Engagement’, der Austausch zwischen der Autorin und ihrer Community.

Heinrich möchte die durch ihre Wahl entstandene Neugier nutzen und in einen breiter gefächerten Dialog nicht nur mit der evangelischen Kirche bringen. Im März 2021 war sie bereits Initiatorin eines Hackathons, glaubengemeinsam.de, um neue Ideen und Visionen für Kirche nach dem Lockdown zu gewinnen. Alles Initiativen, die ihr Profil innerhalb der EKD-Synode geschärft und die Neugier ihrer Co-Synodalen geweckt haben.

Auf ihren Social Media-Accounts, Twitter, Instagram und teils auch Facebook zeigt sich eine Mischung von unbeschwerter Jugendlichkeit, christlicher Inspiration und kirchenpolitischer Reflektion. In den Videointerviews mit dem Sonntagsblatt wird deutlich, wie sehr Heinrich Art und Inhalt ihrer Kommunikation reflektiert.

Ihr eigenes Twitterhandle, @AnnaHeinr, „ohne ich“, wie sie es unprätentiös erklärt, spiegelt diese Haltung. Soziale Medien begreift sie als Mittel, Menschen zu erreichen, die mit Kirche keine Berührungspunkte haben, die „hoffentlich ansprechbar sind“, Menschen, die sie kontaktieren, um zu erfahren, wer die Person hinter der ungewöhnlichen Präses-Wahl ist.

Wie sehr sie den Schwung ihrer Initiativen auf die Wirkung der EKD übertragen kann, die in ihrer offiziellen Außendarstellung zwar bereits auch auf die Sozialen Medien setzt, auf Facebook, Instagram und Twitter aber eher lehrbuchmäßig und wenig inspirierend auftritt, wird sich zeigen.

„Hauptamt hat in den allermeisten Projekten, die [im Hackathon] für die Kirche der Zukunft entwickelt wird, keine tragende, sondern eine unterstützende Funktion“, so Heinrich vor knapp einem Jahr im Videointerview des Sonntagsblatt, als sie zu Grenzen und Möglichkeiten ihrer Initiative befragt wird.

Anna-Nicole Heinrich benennt damit ganz klar Bruchstellen, die erst seit wenigen Jahren in der EKD offen diskutiert werden. Nachdem sowohl der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm, dessen Amtszeit 2021 endet und der sich nicht zur Wiederwahl stellt, als auch ihre Amtsvorgängerin Irmgard Schwaetzer Heinrichs Kandidatur unterstützt haben, eröffnen sich der EKD neue Zukunftsperspektiven.

Es bleibt abzuwarten, wie sie neue Impulse, die sich aus dem Zusammenspiel zwischen der Präses, den vielfältigen Kontaktpunkten der sich digitalisierenden Welt einerseits und der schwindendenden Zahl von aktiven wie passiven Kirchenmitgliedern andererseits ergeben, umsetzen wird. Herausforderungen, denen sich die Organisation mit ihren traditionellen Strukturen längerfristig stellen muss.